Eichendorff

Eichendorff
Eichendorff,
 
Joseph Freiherr von, Schriftsteller, * Schloss Lubowitz (bei Ratibor) 10. 3. 1788, ✝ Neisse 26. 11. 1857; nahm 1805 in Halle (Saale) das juristische Studium auf, ging 1807 nach Heidelberg, wo er J. von Görres kennen lernte, 1809 nach Berlin (Umgang mit Adam Müller, A. von Arnim und C. Brentano) und zum Abschluss seiner juristischen Studien 1810 nach Wien; hier schloss er sich besonders F. Schlegel an. Eichendorff nahm an den Befreiungskriegen teil; 1816 trat er in den preußischen Staatsdienst ein (Breslau, Danzig, Königsberg, 1831 bis zur Pensionierung 1844 im Kultusministerium in Berlin); nach wechselnden Aufenthalten (unter anderem Wien 1846/47; Bekanntschaft mit F. Grillparzer und A. Stifter) lebte er seit 1855 in Neisse. - Eichendorffs Gedichte, erst 1837 gesammelt erschienen, bilden - neben denen Brentanos - den Höhepunkt deutscher spätromantischer Lyrik. Sie sind gekennzeichnet durch volksliedhafte Schlichtheit in Sprache, Thematik und Form (vertont u. a. von F. Mendelssohn Bartholdy, R. Schumann, H. Wolf); Bilder der Natur (Wald, Tal, Bach) werden zum Ausdruck seelischer Regungen und Stimmungen. Prägendes Motiv vieler Gedichte ist die Sehnsucht, der die Bewegung des Wanderns in eine unbestimmte Ferne entspricht. Hinter dem unbeschwert-fröhlichen Ton stehen oft Wehmut, Gedanken an Abschied und Tod, Trauer über einen Verlust. Viele Gedichte erschienen zuerst in Romanen und Erzählungen, die häufig dieselben Motive und Stimmungen in lyrisch-offenen Darstellungsformen behandeln. Das gilt für den autobiographischen Roman »Ahnung und Gegenwart« (1815 anonym herausgegeben von F. de la Motte Fouqué), in dem die »schöne alte Zeit« auf dem schlesischen Schloss verklärt und zugleich reflektiert wird, ebenso für die Erzählung »Aus dem Leben eines Taugenichts« (1826), der Geschichte des wandernden Sängers, der sich dem bürgerlichen Leistungsstreben entzieht. In anderen Prosawerken spielen daneben die Problematik des Künstlers und zeitgeschichtliche Bezüge eine größere Rolle (Novellen »Das Marmorbild«, 1819; »Dichter und ihre Gesellen«, 1834; »Das Schloß Dürande«, 1836; »Die Glücksritter«, 1841).
 
Weniger bedeutend sind Eichendorffs Versuche im ironisch-satirischen Märchenspiel (»Krieg den Philistern«, 1824), in Lust- und Trauerspielen (»Die Freier«, 1833; »Der letzte Held von Marienburg«, 1830) sowie die späten Versepen (»Julian«, 1853; »Robert und Guiscard«, 1855), in denen die katholisch-christliche Tendenz stärker hervortritt. Sie bewirkte auch die wachsende Vorliebe Eichendorffs für die spanische Dichtung (Übersetzung geistlicher Schauspiele von P. Calderón de la Barca, 2 Bände, 1846-53) und bestimmte die Maßstäbe in den literarhistorischen Spätwerken (»Über die ethische und religiöse Bedeutung der neueren romantischen Poesie in Deutschland«, 1847; »Der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zum Christentum«, 1851; »Zur Geschichte des Dramas«, 1854; »Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands, 2 Teile, 1857).
 
Ausgaben: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, gegründet von W. Kosch und A. Sauer, fortgeführt und herausgegeben von H. Kunisch und anderen, auf 22 Bände berechnet (1908 folgende); Werke, herausgegeben von J. Perfahl, 4 Bände (1970-80); Werke, herausgegeben von W. Frühwald und anderen, 6 Bände (1985—93); Werke. In einem Band, herausgegeben von W. Rasch (Neuausgabe 1995).
 
 
J. Kunz: E. (1951, Nachdr. 1973);
 
E. heute. Stimmen der Forschung, hg. v. P. Stöcklein (21966);
 A. Hillach u. K.-D. Krabiel: E.-Komm., 2 Bde. (1971-72);
 K.-D. Krabiel: J. v. E. Kommentierte Studien-Bibliogr. (1971);
 K.-D. Krabiel: Tradition u. Bewegung (1973);
 W. Frühwald: E.-Chronik (1977);
 
E. u. die Spätromantik, hg. v. H.-G. Pott (1985);
 O. Seidlin: Versuche über E. (31985);
 
J. v. E. Leben u. Werk. .., hg. v. W. Frühwald u. F. Heiduk (1988);
 P. Stöcklein: J. v. E. (73.-75. Tsd. 1993).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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